von Hans Scharfenstein † (Ehrenmitglied der GGH)
Am 31. Juli 1743 kam es in Bendorf zu einer verheerenden Brandkatastrophe 70 Familien verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Durch Sofortmaßnahmen der Landesherren und Bürger konnte die größte Not der vielen Obdachlosen schnell gelindert werden
BENDORF. Neben dem Bombenangriff in der Mittagsstunde des Silvestertages 1944, bei dem große Teile Bendorfs in Schutt und Asche sanken und viele zu Tode kamen, war keine Katastrophe schrecklicher, als der große Brand vom 31. Juli 1743. Die ganze obere Ortshälfte fiel den Flammen zum Opfer.
Die Bevölkerung Bendorfs, eines damals eng und unregelmäßig bebauten Ortes mit strohgedeckten Dächern, der noch umgeben war von einer Stadtmauer, lebte noch zum größten Teil von Landwirtschaft und Weinbau. Ein großer Teil der Bürger war daher tagsüber außerhalb der Stadttore auf den Feldern beschäftigt. Als die kleine Kirchturmglocke an jenem Mittwochabend alle mahnte, den Heimweg anzutreten, war es auch nicht anders als sonst.
Da brach plötzlich, nachmittags gegen fünf Uhr, im östlichen Teil des Fleckens, dort wo Stein- und Bergstraße zusammenstoßen, Feuer aus. Das Feuer verbreitete sich so schnell und nahm eine so gewaltige Ausdehnung an, daß innerhalb von zwei Stunden 77 Wohnhäuser, 44 Scheunen, 61 Ställe und 24 Kelterhäuser, insgesamt 206 Gebäude, in Schutt und Asche gelegt wurden. Gleichzeitig verbrannte fast das gesamte Inventar, das schon eingebrachte Heu und Getreide und 1700 Fässer mit Wein, damals die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung. Zum Glück konnte überall das Vieh gerettet werden, und auch Menschen kamen nicht zu Schaden.
Insgesamt verloren 70 Familien ihr Hab und Gut und wurden durch diese Katastrophe obdachlos. Die unsagbare Not dieser zwei- bis dreihundert Einwohner, die plötzlich vor dem Nichts standen, kann man sich heute sicher noch vorstellen, Nach einem Bericht des damaligen Amtsverwalters, Johann Anton Rhodius, an die Regierung in Altenkirchen, brach das Feuer in der Branntweinbrennerei des Hammerschmiedes Bartholomäus Syré in der Steinstraße aus. Nach einer anderen Version soll es im Forsthaus, das ebenfalls in der Steinstraße stand, zum Ausbruch gekommen sein.
Fragt man heute nach den Ursachen der schnellen Verbreitung des Feuers, dann wird aus vorliegenden Akten ersichtlich, daß sich die meisten Bewohner des Fleckens zu der fraglichen Stunde draußen auf dem Feld befanden und mit der Ernte beschäftigt waren. Außerdem seien alle Häuser viel zu eng aneinander gebaut gewesen. Ferner hätten die durch die Julihitze ausgetrockneten Strohdächer dem Feuer ganz besonders reiche Nahrung geboten.
Die Wasserverhältnisse dürften auch nicht die besten gewesen sein. Der große Weiher, der sich in damaliger Zeit dort befand, wo heute die „Obere Bleiche“ ist, war damals schon nicht mehr vorhanden, und eine Feuerspritze kannte man noch nicht. Mit den Löscheimern, die von Hand zu Hand gingen, war gegen diese Höllenglut nicht viel auszurichten, und in ohnmächtigem Grimm mußten die Betroffenen tatenlos zusehen, wie der Rote Hahn“ ein Anwesen nach dem anderen einäscherte.
Die Häuser so nicht rotgezeichnet stehen annoch.
Über die Ausdehnung des Brandes liegen Informationen durch die Akten der Bürgermeisterei und durch eine Zeichnung des damaligen Bürgermeisters von Bendorf vor. Die letztere befindet sich heute im Heimatarchiv und läßt deutlich das Ausmaß der verheerenden Brandkatastrophe erkennen. Vom Obertor (Steintor) aus gesehen, erstreckte sich der Brand linker Hand bis an das katholische Pfarrhaus, mitte der Steinstraße, das dort bis zum Jahre 1858 stand. Rechter Hand brannte alles nieder bis ans evangelische Pfarrhaus in der Bachstraße (heute Haus Kamp). Erst die gewaltigen Mauern des alten Siegburger- oder Mittelhofes, die etwa dort standen, wo sich heute das Café Blümling und die Apotheke befinden, boten der gewaltigen Feuersbrunst Einhalt. Die freien Flächen des Marktplatzes (heutiger Kirchplatz) verhinderten ebenfalls ein Übergreifen des Brandes auf den unteren Teil des Fleckens. Diesen Umständen ist es letztendlich zu verdanken, daß Bendorf damals nicht ganz abbrannte.
Nach dieser ungeheuren Katastrophe sah es so aus, als ob sich Bendorf von diesem Schicksalsschlag nie mehr erholen würde. Doch der ungebrochene Lebenswille der Bewohner und ihre Liebe zur Heimat ließen in den folgenden Jahren ein neues, schöneres Bendorf entstehen.
Die Landesherren in Altenkirchen und Hachenburg ließen sofort Maßnahmen ergreifen, die von Umsicht und großem Weltblick zeugten. So wurden auf ihre Veranlassung hin beim Faktor Wilhelm Remy 100 Taler geborgt und unter die Bedürftigen verteilt. Die Obdachlosen sollten teils in Alsbach, das damals zu Bendorf gehörte, oder sonstwo untergebracht werden. Ferner wurden vor dem Tor nach Sayn (Obere Bachpforte) Baracken aus Holz errichtet und das schon eingelieferte ,,Zehntgetreide“ sofort gedroschen und an die Ärmsten ausgegeben. Weiterhin wurde eine Ziegelhütte gebaut, in der die zum Neuaufbau erforderlichen Steine gebacken wurden. Außerdem wurde von den Landesherren eine Kollekte bewilligt, die nicht nur in den Sayn’schen Landen durchgeführt wurde.
Die größte Not konnte so etwas gelindert werden, während für den Neuaufbau Bendorfs viele neue Richtlinien und Verordnungen erstellt wurden. Die wichtigsten waren, daß der abgebrannte Ortsteil nunmehr in rechteckigen Wohnvierteln, getrennt durch gerade und breite Straßen, neu aufgebaut werden sollte. Alle Dächer durften nur mit Ziegeln gedeckt werden, um eine erneute Feuersgefahr von vornherein so gut wie möglich einzuschränken. Auch alle Strohdächer im vom Brand verschonten Unterdorf mußten sofort mit Ziegeln versehen werden. Um diese Baumaßnahme durchzuführen, wurde auch die Stadtmauer mitsamt Toren und Türmen abgerissen, da sie der Verbreiterung des Ortes hinderlich war. Am längsten stand noch der Turm der „Engersport“, der als Gefängnis bis zuletzt Verwendung fand.
Eine weitere Maßnahme der Landesregierung war die Ermunterung Fremder, sich in Bendorf niederzulassen. Sie gewährte allen, die neu bauten, die sogenannte Baugnade auf lange Frist. Dieser Zuschuß betrug für den laufenden Fuß eines zweistöckigen Hauses drei Gulden, eines einstöckigen Hauses zwei Gulden und für ein Holzgebäude einen Gulden. Außerdem schickte sie viel Baumaterial und Bauholz nach Bendorf.
Zur Durchführung der Kollekte wurden vom Vogt Rhodius, nach Beratung mit dem evangelischen Pfarrer Winter und dem katholischen Pastor Loos, Johann Georg Hermann und Anton Greif als Kollektanten ausgewählt. Diese beiden Bendorfer Bürger reisten monatelang von Ort zu Ort und sammelten in selbstloser Weise für die so hart betroffenen Mitbürger. Der Ertrag der Kollekte ist mit 10 084 Gulden und 16 Kreuzern angegeben. Außerdem brachten sie Korn, Wein und andere Materialien ein. Ihr Weg führte sie dabei ins Kurtrierische, Pfalz-Zweibrücken, in die Grafschaft Sponheim sowie ins Siegener Land.
Außer diesen beiden haben sich um die Beschaffung von Geld, Lebensmitteln und anderen Sachen Wilhelm Remy und der katholische Pfarrer Norbert Loos sehr verdient gemacht. Ersterer sammelte bei seinen Geschäftsfreunden im In- und Ausland, letzterer vorwiegend im obertrierischen Gebiet.
Langsam aber sicher entstand ein neues Bendorf, das durch schöne Häuser und neue Straßen einen städtischen Charakter bekam. Das heutige moderne Straßennetz ist letzten Endes dieser Katastrophe zu verdanken. Auch dem Feuerschutz wurde große Beachtung geschenkt. Es wurden zwei Spritzen angeschafft, die noch bis Ende des 19. Jahrhunderts in Gebrauch waren.
Auch die Kriegsgeneration von heute hat in etwa das Gleiche erlebt und mitgemacht. Auch sie hat ein durch den Krieg schwer mitgenommenes Bendorf in gemeinsamer Arbeit und unter vielen Opfern wieder aufgebaut. Das unterstreicht, daß der Lebenswille der Bendorfer und ihre Treue zur Heimat nach wie vor eine ihrer hervorragendsten Eigenschaften ist — wie schon in jener alten Zeit.
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