Dieser Aufsatz ist erschienen in: Bendorfer-Zeitung – vom 17.Sept. 1975 ff

Für das Internat wurde er entsprechend bearbeitet von W.Kutsche.

von Hermann Müller †

(Mitglied der GGH)

Das früheste Wappen der Grafen von Sayn (Sponheim)

Nachdem das alte Sayn’sche Grafengeschlecht mit dem Tode Heinrichs III. im Mannesstamm ausstarb, führten zunächst die Söhne seiner Schwester Adelheid, die Grafen von Sponheim, die Regentschaft in Sayn weiter, bis sie 1264 einen Teilungsvertrag über die Grafschaft abschlossen, nach dem Graf Gottfried Burg und Umland und die Gebiete im Oberwesterwald erhielt. Wohl war die Grafschaft Sayn nun gebietsmäßig kleiner, aber unter einer Herrschaft. Mit Jutta von Homburg erheiratete er zudem noch deren Erbe, nämlich Homburg an der Mark. Die beiden Söhne aus dieser Ehe, Johann und Engelbert, teilten wiederum in einem Abkommen 1294 ihr Erbe, wonach Johann die gesamte Grafschaft Sayn behalten konnte, während Engelbert sich mit der Herrschaft Vallendar und der Hälfte von Homburg begnügte. Durch diese Teilung entstanden in dem Sayn-Sponheimschen Hause die sog.“Johannes-Linie“ und die „Engelbertsche Linie“ die fast 400 Jahre nebeneinander ihre Regentschaft führten, wobei aber in der Engelbertschen Linie die Grafen einen anderen Titel führten. Denn Graf Engelberts Enkel, Salatin, brachte 1345 durch seine Heirat mit der Gräfin Adelheid von Wittgenstein deren Grafschaft auch an sein Haus und nahm fortan für sich und seine Nachkommen den Titel eines Grafen zu Sayn-Wittgenstein an.

Über die Johannes-Linie, die bis zu ihrem Aussterben auf Burg Sayn blieb, ist also zunächst zu berichten, wobei in der chronologischen Erbfolge nur die wichtigsten Persönlichkeiten und Ereignisse, die Sayn betreffen, erwähnt werden sollen, da ansonsten der Bericht zu lang und ermüdend würde.

Am 23. November 1324 starb Graf Johann zu Sayn und hinterließ aus erster Ehe mit Elisabeth von Hessen einen Sohn, Gottfried, und aus zweiter Ehe mit Kunigunde von Cobern einen zweiten Sohn, Johann. Der Ältere trat als Graf Gottfried II. zu Sayn das Erbe an, zumal er schon zu Lebzeiten seines Vaters ab 1314 als Mitregent bestimmt wurde. Dies fiel mit dem Regierungsantritt König Luwigs V. von Bayern zusammen, der einen Bürgerkrieg im Reich auslöste. Denn bei der Königswahl brach schon ein Streit aus, da eine Partei, nämlich vornehmlich der Adel, Friedrich III. (den Schönen), einen Sohn Albrechts (Österreich) und die andere Partei, die Reichsstädte und Stände, Ludwig V. von Wittelsbach (Bayern) zum deutschen König wählten, die auch beide gekrönt wurden und beide zu regieren begannen. Auch der Kurfürst von Köln und die Grafen von Nassau traten auf die Seite Österreichs mit Friedrich III.; dagegen schlossen sich die Kurfürsten von Trier (Baldwin von Lützelburg) und Mainz (Peter von Aspelt, Basel), sowie die beiden Sayn’schen Grafenlinien an Bayern mit Ludwig V. an. Nach den Siegen der Bayern in den Schlachten von Gammelsdorf und von Morgarten (mit Hilfe der Schweizer) und schließlich von Mühldorf über Österreich (Habsburg) blieb Ludwig deutscher König und zeigte sich dankbar gegenüber allen, die ihm geholfen hatten. So erklärt sich auch, weshalb der König, als er später in Rom zum deutschen Kaiser als Ludwig IV. gekrönt wurde, dem Sayner Grafenhaus immer gewogen war und es besonders mit Vorrechten und Privilegien begünstigte.

Das begann schon 1314, als Ludwig V. in Bacharach Graf Gottfried zu Sayn ermächtigte, den Städten Hachenburg, Altenkirchen und Weltersberg die gleichen Rechte zuzugestehen, wie Wetzlar und den anderen reichsunmittelbaren freien Städten. Der König besuchte auch Hachenburg, wo er dem Sayner Grafen gestattete, den Ort Friedewald zur Stadt zu erheben mit den gleichen Rechten – wie Frankfurt. Für die Unterstützung der Sayner Grafen in der Entscheidungsschlacht von Mühldorf ernannte ihn 1326 der inzwischen zum Kaiser gekrönte Ludwig IV. zu seinem Statthalter in Dortmund, womit sein besonderer Rang beim deutschen Adel bestätigt wurde.

So stand die alte Grafschaft im deutschen Königreich wieder in hohem Ansehen, doch fehlte beim Tode Graf Gottfrieds II. 1327 der Erbe, so daß sein Stiefbruder als Graf Johann II. die Regentschaft übernahm. Auch ihm war der König und Kaiser sehr gewogen. So erlaubte er ihm die Prägung eigener Münzen, und zwar Hellermünzen. Graf Johann II. war weniger an der Reichspolitik interessiert, vielmehr versuchte er mit allen Mitteln die eigene Grafschaft zu vergrößern, möglichst zu den Grenzen der einstigen altsaynschen Gebiete. So geriet er 1340 mit dem Grafen Wilhelm von Wied wegen des Dorfes Irlich in Streit, der sich dann über Generationen hinzog. Käuflich erwarb er, was er erlangen konnte, so 1345 vom Ritter Christian von Manden Ländereien in den Vogteien von Daaden, Kirburg und Gebhardshein, um das Gebiet der Grafschaft geschlossener zu verwalten. Deshalb stieß er auch seinen von der Mutter ererbten Anteil an der Burg Cobern nebst dazugehörendem Land an der Mosel an Kurtrier ab, da es zu weit weg lag.

Auch der Nachfolger Ludwigs IV., Kaiser Karl IV., privilegierte das Sayner Grafenhaus sehr und gewährte ihm 1357 den Zoll zu Hachenburg, Altenkirchen und Weltersburg, deren besondere Stadtrechte er auch zudem bestätigte.

Münze: Johann III. um 1400 (Vorderseite)

Auf Graf Johann II. folgte bei dessen Tod 1359 sein Sohn aus der Ehe mit Elisabeth von Jülich als Graf Johann III, zu Sayn in der Regentschaft. Auch er war bemüht, die Grafschaft zur einstigen Größe zu erweitern und kaufte an Ländereien auf, was möglich war, so u. a. 1362 Dorf und Gericht Oberroßbach vom Grafen Wilhelm von Isenburg-Wied, sodaß sein Herrschaftsgebiet sich wieder tief in den hohen Westerwald erstreckte. Um diese großen Erwerbungen auch finanziell zu verkraften, bewarb er sich beim Kaiser um Anteile an den Rheinzöllen, die ihm auch mit zwei Turnos, von denen ihm einer vom Pfalzgrafen Ruprecht auf der Insel Kaiserswerth und der andere von Kurtrier bei Engers zugestanden wurde, sodaß nun hohe Einkünfte die Landkäufe deckten. Weiter belehnte ihn derselbe Kaiser 1372 von Coblentz aus mit dem freien Richterstuhl zu Freusburg.

Johann III. von Sayn (Rückseite)

Bei den Wirren der damaligen Zeit, wo auch mit Gewalt und kriegerischer Drohung mancher Landesherr sein Gebiet zu vergrößern trachtete, unterstellte sich Graf Johann III., der nicht so ein harter Kriegsmann war wie einst Graf Heinrich III der Große von Sayn, unter dem Schutz seines mächtigen Nachbarn Kurtrier. Schon sein Vater hatte 1351, „am Freitag vor St. Gallus“ (16. Okt.) mit dem Erzbischof und Kurfürsten Balduin von Trier einen Schutzvertrag abgeschlossen, in dem festgelegt war, „daß die Feste Sayn niemals veräußert werden durfte an andere , .“. Zusätzlich gab nun Johann III. dem Nachfolger Balduins in einer Urkunde vom „Donnerstag vor St. Gallen 1367 seine Grafschaft mit allen ihren Festen in des Erzbischofs Kuno von Trier Gewalt und Befoelnisse, also daß er von nun an all Amtleude, Schultheizen, Pornenere, Turmknechte und Wachtleute in derselben unsere Festen mag und soll setzen, solange derselbe gelebet“. Dies bezog sich nicht nur auf Burgen und feste Plätze, sondern auch auf die offenen Städte und Märkte. Demnach waren die Grafen nicht mehr als souveräne Regenten anzusehen. Und daher ist es verständlich, daß sie sich, sobald sich die Lage im Königreich besserte, dieser Oberhoheit entledigten. Als 1388 Kurfürst Kuno von Trier starb, erneuerte Graf Johann III. bei dessen Nachfolger nicht mehr den Schutzvertrag, doch leitete Kurtrier seitdem einen Anspruch zur Schutzpflicht über die Grafschaft Sayn ab, zumal bei den späteren Grafen immer wieder Schutz- und Lehnsverträge abgeschlossen wurden. Das bezog sich auch auf die Vallendarer Besitzungen der Engelbertschen Linie der Grafen von Sayn-Wittgenstein, wo Salentin 1374 die Lehensrechte über Burg, Ort und Gericht Vallendar dem Trierer Erzstift übertrug und sein Nachfolger 1392 Burg und Herrschaft Vallendar zu zwei Drittel sogar an Kurtrier verpfändete. Zwar wurde ein Teil der Pfandschaft 1441 eingelöst, als aber 1551 der damalige Graf Wilhelm von Wittgenstein den Rest der Pfandschaft abtragen wollte, weigerte sich dazu der Trierer Kurfürst Johann von Isenburg und kam damit sogar zum Landerwerb für das Kurland. Denn nach langwierigem Prozeß am Reichskammergericht verzichtete die Sayn-Wittgensteinsche Linie endgültig in einem Vergleich auf den Rückerwerb und räumte dem Erzstift Trier die Landesherrschaft über das ganze Vallendarer Gebiet ein.

Der Johannes-Linie auf Burg Sayn blieb dies zunächst erspart, denn sie war nach dem Tode des mächtigen Kurfürsten Kuno von Trier vor allem darauf bedacht, ihre absolute Landeshoheit trotz Schutz- und Lehnsverträgen, die sie auch mit anderen starken Nachbarn abschlossen, zu bewahren. So übergab der Enkel Johanns III., Graf Dietrich I. zu Sayn, 1436 Schloß Friedewald mit Burg und Stadt und allem Umland dem Landgrafen Ludwig von Hessen, um es als Erb-Manneslehen wieder zu erhalten. Dieser Graf Dietrich zu Sayn war auch der Erste, der die Grafschaft wieder stärker über den Rhein nach Westen vergrößerte, indem er 1446 das Amt Reinbach und die halbe Grafschaft Neuenahr erwarb. Er starb im Alter von 37 Jahren 1452 ohne Erben.

Sein Bruder Gerhard, der eigentlich zum geistlichen Stand bestimmt und schon Domherr zu Köln und Probst zu Aachen war, mußte seine Karriere zum Erzbischof abbrechen und in den weltlichen Stand zurückkehren, um die Regentschaft als Graf Gerhard II. (1452-1492) zu übernehmen. Unter seiner Herrschaft erreichte die Grafschaft Sayn höchstes Ansehen und ihre einstige Größe wie einst unter Heinrich III. Dafür hatten die Vorgänger unter zielbewußtem kontinuierlichem Aufbau auch in wirtschaftlicher Hinsicht gesorgt.

Graf Gerhard heiratete noch im gleichen Jahr seiner Übernahme der Regentschaft Elisabeth von Sierk, verwitwete Gräfin von Zweibrücken, deren 1456 verstorbener Onkel Jakob von Sierk, Kurfürft von Trier und zugleich Herr zu Forbach, Monklar und Meinzenberg war. Von denselben brachte sie, wie auch von ihrem elterlichen Erbgut, große Landgebiete an die Sayner Grafschaft, die noch ansehnlicher und damit einflußreicher wurde, zumal Graf Gerhard als ein kluger und in Staatsgeschäften gewandter Regent nicht nur seine eigenen Lande hervorragend verwaltete, sondern auch von den Kurfürsten von Köln und Trier gern um Rat und Beistand gebeten wurde.

Dies mag wohl die Ursache gewesen sein, daß ihn 1467 Kaiser Friedrich III. von Neustadt aus zum Kaiserlichen Statthalter über die „Heimlichen Westfälischen Gerichte“ ernannte, eine Auszeichnung hohen Ranges. 1459 verpfändete Graf Wilhelm II. zu Wied dem Sayner Grafen die Kirchspiele Höchstenbach, Almersbach und Schöneberg für 600 Triersche Gulden. Mit Nassau einigte sich Graf Gerhard um die Oberhoheit über Seelbach und Burbach 1478 insofern, daß beide Häuser die Verwaltung ausüben sollten.

Auch die Sayner Gräfin Elisabeth erwarb sich große Verdienste, da sie in caritativer Hinsicht Spitäler und Altenhäuser bauen ließ. Bei der Bevölkerung war sie sehr beliebt. Sie schenkte ihrem Gatten neun Söhne und sieben Töchter, von denen die meisten in früher Kindheit starben. Sie selbst starb drei Jahre vor dem Hinscheiden ihres Mannes, und ihr Wappen mit dem Pferdekopf und dem Doppelturm als Heimzieren wurden in das große Saynsche Wappen übernommen.

Ihr Wappen; derer von Sierk, mit dem Pferdekopf als Heimzier und im oberen Teil des Schildes den Doppelturm des Wappens von Homburg und darunter das von Freusburg mit den drei Eberköpfen, in der Mitte des Schildes überdeckt das Stammwappen mit dem alten Symbol des Sayner Geparden zum Teil alle anderen. Oben dient wieder die Einhorn-Stoßstange als Heimzier. Aus diesem Großwappen übernahm ab 1605 auch die Sayn-Wittgenstein’sche Linie den Doppelturm von Homburg und die drei Eberköpfe von Freusberg u. a, auch in ihr Wappen. Dies ist ferner bei den späteren Wappen von Sayn-Wittgenstein-Berleburg und -Hohenstein festzustellen. So gibt auch die Heraldik dieser Adelshäuser anschaulichen Aufschluß über ihre Entwicklung.

Zu seinem Nachfolger bestimmte Graf Gerhard seinen ältesten Sohn, der ebenfalls Gerhard hieß. In seinem Testament, aus dem deutlich zu erkennen ist, daß der Graf einst im geistlichen Stand ausgebildet war, ist zu lesen: „Item soll Gerhard, unser ältester Sohn, allein ein Graf zu Sayn sein und haben Sayn, Hachenburg und Altenkirchen; und wir befehlen ihm auch, Rechtfertigkeit und Barmherzigkeit allewege zu erzeigen seinen Untersassen, in was Stand sie auch sind, und männiglich Recht zu thun und widerfahren lassen und die Kläffer nit zu hören, und daß er sich zu seinen Untersassen halte in christlicher Liebe, da einem Herrn nichts Bequemeres noch Gütlicheres ist, als die Liebe und Sorgfältigkeit seines Volks“

Graf Gerhand II, zu Sayn starb am 14. Januar 1493 im Alter von 75 Jahren und wurde in der Cistercienser-Abteikirche zu Marienstatt bei Hachenburg, die er mit seiner Gemalin ausbauen ließ, auch neben ihr in einem kunstvollen Sarkophag beigesetzt. Die holzgeschnitzten lebensgroßen Figuren auf der Abdeckung des Sarkophages zeigen den Grafen und seine Gattin liegend. Bei der Darstellung der Gräfin Elisabeth ist das rechte Bein mit Fuß nicht unter dem Gewand zu erkennen, weshalb sie seitdem als „einbeinige Gräfin“ in der westerwälder Legende gern erwähnt wird. Die beiden porträthaft durchgebildeten Figuren zeugen von hohem Stand spätmittelalterlicher Kunst. Der Sarkophag, der einst mitten im Chor der Abteikirche stand, ist heute links neben dem Haupteingang zu finden, doch durch zu starkes und dichtes Gittergehäuse kaum zu erkennen.

Nach dem Tode Graf Gerhards II., der die Grafschaft zum Höhepunkt der Johanneslinie geführt hatte, begann der allmähliche Niedergang. Schon seine Söhne Gerhard und Sebastian teilten das Herrschaftsgebiet, wobei sie allerdings gemeinsam auf Burg Sayn regierten. Da jedoch Graf Gerhard III. in seiner Ehe mit Johanetta zu Wied nur Töchter erhielt, folgte ihm sein Bruder Sebastian auch über den Gebietsteil, der getrennt war, so daß die gesamte Grafschaft wieder unter einem Regenten stand.

Obwohl nun alle Voraussetzungen zum guten und erfolgreichen Regieren bestand, wirtschaftete er mit der Zeit so miserabel, daß er bald die Landesfinanzen in Unordnung brachte und Pfandleihen aufnehmen mußte. So verpfändete er Schloß und Stadt Friedewald für 2500 Gulden.

Er hinterließ seinem Sohn, der als Graf Johann V, zu Sayn die Regentschaft antrat, nicht mehr ein wohlbestelltes Staatswesen, wie es sein Vater ihm und seinem Bruder vererbte, sondern ein hochverschuldetes Land, das auch der neue Regent nicht so rasch sanieren konnte. So übergab er auch seinem, Nachfolger, Graf Johann VI., eine Grafschaft, die in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Doch errang Graf Johann VI. von Sayn wenigstens nach außen Erfolge und damit wieder ,Ansehen für die Grafschaft, als ihn Kaiser Karl V. von Habsburg 1547 vom Hofgericht zu Rottweil von den westfälischen, sowie allen ausländischen Gerichten befreite, ihn und die Seinen also von der Gerichtsbarkeit außer der eigenen kaiserlichen ausnahm. Das bedeutete eine gewisse Immunität und hob den Sayner Grafen über alle anderen Adligen seiner Zeit hinaus. Kaiser Maximilian II. erneuerte den Nachkommen Johanns VI. anno 1570 dieses wichtige Exemptions-Privilegium.

Graf Johann VI. starb am 20. März 1560 noch als katholischer Landesherr. In seinem Testament hatte er bestimmt, daß sein ältester Sohn Adolf die Grafschaft Sayn übernehmen solle. Seine beiden Brüder Heinrich und Hermann hingegen sollten „ihrem selbst frywilligen Erbieten nach zu dem Sakrament der hl. Ehe nicht greifen und sich bestatten, sondern bey dem geistlichen Stande bleiben und verharren, es sey denn, daß Graf Adolf nicht Erben bekäme“

Doch zwei Monate vor des Vaters Ableben hatte Graf Adolf im Geburtsort Luthers in Eisleben seine Vermählung mit Maria, der Tochter des Grafen Johann Georg von Mansfeld, eines eifrigen Anhängers des Reformators, vollzogen und war selbst zur neuen Lehre übergetreten. Mit seinem Onkel, dem Grafen Sebastian zu Sayn. der ebenfalls konvertiert war, und meist von Schloß Freusburg aus seinen Landesteil im oberen Westerwald mit den Städten Altenkirchen und Hachenburg regierte, begann er schon früh mit der rigorosen Einführung der Reformation nach den Grundsätzen der Wittenberger Theologen. Er setzte dort eine allgemeine Kirchenrevision voll Eifer und Strenge an und scheute sich nicht, gegen Übermut und überschäumende Lebensfreude hart vorzugehen. So bedrohte er mit peinlichem Rechte Schandstein, Halseisen, Turm und Stock Übertretungen junger Leute bei Trunkenheit, Nachtszechen, Mummereien (Fastnacht), Liebesabenteuer.

Es war die Zeit tiefer Untertänigkeit, die nach der blutigen Niederwerfung des großen deutschen Bauernaufstandes noch Generationen hindurch anhielt. Denn nach dem tragischen Mißlingen ihrer berechtigten Ansprüche damals blieb die Bevölkerung in solch devoter Verfassung, daß sie wohl widerwillig und murrend alles über sich ergehen ließ, was die Obrigkeit anordnete. Und da diese nach dem Grundsatz „Cuius regio – eius religio“ (wessen Herrschaft – dessen Religion) verfuhr, hatte die Bevölkerung auch kaum eine Möglichkeit, sich dem zu entziehen. Denn in diesem feudalistischen System übten die Landesherren sowohl die Polizeigewalt wie auch die Gerichtsbarkeit aus; sie stellten die Verwaltung, die Einrichtung von Pfarreien und auch die Armenfürsorge. Dies war zu ertragen in einer Zeit, als Graf Heinrich III. im 13. Jahrhundert noch patriarchalisch für seine Untertanen sorgte, sie in den Wirren des Faustrechts gegen außen beschützte und ihnen auch wirtschaftliche Sicherheit bot, so daß keiner zu hungern brauchte. Selbst noch 250 Jahre später unter Graf Gerhard II, ist diese Sorge um das Wohl des Volkes unverkennbar, aber nun in den Umsturzzeiten der Reformation wurde von der Bevölkerung mehr verlangt, als sie zu geben bereit war: den Wechsel des Gaubens!

Als daher nach dem Tode Graf Johannes VI. sein Sohn Graf Adolf die gesamte Grafschaft übernahm und auch in Sayn wo er auf der Burg residierte, die sofortige Einführung der neuen Lehre anordnete, machte sich unter der Bevölkerung Unruhe breit. Besonders in den Klöstern der Grafschaft begann der Widerstand. Doch begegnete der Graf dieser Auflehnung mit äußerster Härte. Er zwang die Praemonstratenser-Abtei in Sayn, die St. Nikolaus-Kapelle ein Seitenschiff der Abteikirche, einem protestantischen Prediger abzutreten. Außerdem mußte das Kloster dem Schützling des Grafen ein Gehalt von 6 Gulden bezahlen und ihm, der Abt und Konvent bedrängte, noch Kost und Logis gewähren. Auch die Klostergüter ließ Graf Adolf zum großen Teil einziehen oder durch Auflagen von hohen Steuern schwer belasten, sodaß die Abtei vor dem wirtschaftlichen Ruin stand, Ständig griff er in die innersten Rechte des Klosters ein und erschien eines Tages mit Bewaffneten, um die Aushändigung des reichen Kirchenschatzes zu erzwingen, um, wie er angab, diesen zur „größeren Sicherheit“ auf der Burg zu verwahren. So konfiszierte er 3 kostbare Monstranzen, 24 Kelche und den Abtstab, der vergoldet und kunstvoll gearbeitet war. All diese Kostbarkeiten sind seitdem spurlos verschwunden, denn vermutlich setzte der Landesherr die wertvollen Edelmetalle und Edelsteine in Geld um, womit er seine Schulden deckte.

Auch im neu ernannten Marktflecken Bendorf setzte er einen protestantischen Prediger ein. Kaiser Ferdinand I. beschenkte am 21. September 1560 folgende Ortschaften des Sayner Grafen Bendorf, Flammersfeld und Niederfischbach mit zwei Jahrmärkten, und zwar zu Bendorf auf Montag vor Michaelis (29. September) und Donnerstag post Omnium- Saktorum (Allerheiligen, 1. Nov.).

Nach achtjähriger Regentschaft starb am 30. Juni 1568 Graf Adolf zu Sayn und hinterließ eine Tochter, Dorothea Katharina, die sich 1585 mit dem Grafen Karl Ludwig von Sulz, dem sie die Herrschaft Munklar und Meinzenberg zubrachte, vermählte. Der frühe Tod des Grafen Adolf veranlaßte seine beiden Brüder, die ja nach dem Willen ihres Vaters in den geistlichen Stand getreten waren , zur Niederlegung ihrer Dompräbenden und zur Übernahme der Regentschaft, die sich bei Graf Hermann über Hachenburg und Altenkirchen und bei Graf Heinrich über Freusburg, Homburg und Sayn erstreckte. Doch starb Graf Hermann drei Jahre später ohne männliche Erben, sodaß sein Anteil der Grafschaft wieder seinem älteren Bruder zufiel und das Landesgebiet wieder vereint war.

Münze: Heinrich IV. von Sayn (Vorderseite)

Graf Heinrich IV. zu Sayn heiratete 1574 Jutta von Malingkrot, mit der er aber keine gute Ehe führte und die Absicht trug, sich scheiden zu lassen. Doch wählte er einen weniger spektakulären Weg und internierte seine Frau unter Bewachung im Schloß Friedewald, wo er 1582 ein prächtiges Herrenhaus im damaligen Renaissance- Stil errichten ließ. Danach wurde dann das berühmte Heidelberger Schloß, allerdings in größerem Maßstab, erbaut.

Zunächst hatte Graf Heinrich VI. Erfolge in seiner Regentschaft, als ihm 1570 Kaiser Maximilian II. erlaubte, Bergwerke zu betreiben und eigene Münzen zu schlagen. Seitdem gab es den heute seltenen Sayner Doppelgold-Gulden (1587-1606) und den silbernen Sayner Thaler (1590). Ferner gelang ihm die Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit und Landeshoheit durch den Kaiser. Er fühlte sich nun souverän auch gegenüber dem mächtigen Kurtrier, das nach seiner Konversion nicht mehr als freundlicher Nachbar zu betrachten war. Dies sollte noch große Auswirkung haben, da er in wirtschaftlicher Hinsicht völlig am Ende war, denn er hatte noch die hohen Schulden seiner Vorgänger und Brüder übernommen. Ansonsten gab er sich als friedliebender Regent der versuchte, die Mißhelligkeiten, in die seine Vorgänger mit den benachbarten Grafenhäusern geraten waren, gütlich beizulegen; zuerst mit dem Grafen zu Wied über die Herrschaft im Dorf Irlich; dann schlichtete er den Jahrhunderte alten Streit mit den Grafen von Nassau über die Hoheitsrechte der Dörfer Burbach und Seelbach in dem sogenannten Burbacher Vertrag von 1584.

Münze: Heinrich IV. von Sayn (Rückseite)

Um aus seinen großen Schulden herauszukommen war der Sayner Graf schließlich gezwungen, bedeutende Veräußerungen an Ländereien vorzunehmen. So mußte er am 22. 4. 1600 für den Fall, daß er ohne männliche Erben sterben sollte, die gesamte Herrschaft Freusburg an Kurtrier für 40000 Gulden verkaufen und am 16. September desselben Jahres überließ er sogar seine Hoheitsrechte dem Trierer Kurfürsten. Da er keine Nachkommen zu erwarten hatte, hatte Graf Heinrich schon im Jahre 1592 seine Nichte Anna Elisabeth, die Gattin des Grafen Wilhelm von Wittgenstein, zur Erbin der gesamten Sayner Grafschaft testamentarisch eingesetzt. Allerdings ließ er dabei eine wichtige Klausel einfügen: Wenn Graf Wilhelm von Wittgenstein früher sterben sollte als seine Frau, und nur Töchter hinterließe, so sollte er die Grafschaft gegen eine Abfindungssumme an Wilhelms ältesten Bruder Georg von Wittgenstein und dessen Söhne übergeben.

Als nun 8 Jahre später der Erblasser, Graf Heinrich IV. begann, vom Gebiet der Sayner Grafschaft nach und nach große Ländereien zu verkaufen, ließ der Vater der beiden testamentarisch in Frage kommenden Erben, Ludwig der Ältere von Wittgenstein, der beim Kurfürsten von der Pfalz das hohe Amt eines Großhofmeisters bekleidete, für sich selbst die Belehnung von Sayn vom Kurpfälzischen Hof erwirken, was ihm auch gewährt wurde. Sodann protestierte er heftig gegen weiteren Landverkauf in der Sayner Grafschaft und veranlaßte am 15. Februar 1601 am Kurpfälzer Hof, daß von dort aus ein Graf Wilhelm von Solms als Sequester (Zwangsverwalter) mit einem starken Truppenaufgebot in die Grafschaft Sayn marschieren und Freusburg, Altenkirchen, Hachenburg und der Marktflecken Bendorf mit Besatzungen belegt werden sollten. Vor allem aber sollte er sich des Grafen Heinrich bemächtigen und ihn auf Burg Sayn gefangensetzen. Doch dauerten die Vorbereitungen zu diesem Einmarsch zu lange, so daß der Sayner Graf davon erfuhr und Gegenmaßnahmen traf. In seiner Erbitterung darüber beschleunigte er den Verkauf von Freusburg an Kurtrier, das sofort nach dem Kaufabschluß seine Truppen in die erworbenen Gebiete einrücken ließ.

In seiner tiefen Verärgerung ging Graf Heinrich IV. dann so weit, daß er am 27. Juni 1602 seiner Nichte, Gräfin Dorothea Katharina von Sulz, unter Vorbehalt eines Jahresgehaltes von 10.000 Gulden für sich die restliche Grafschaft Sayn übergab und sein früheres Testament annullierte. Kurköln bestätigte diesen überaus unüberlegten Akt.

Auch die Nichte verkaufte weiter Land aus der Restgrafschaft und zwar im März 1602 im Namen ihres Onkels den Sayn’schen Anteil von Homburg a. d. M. für 36.000 Florin an den Herzog von Jülich. Alarmiert durch diese weiteren belastenden Vorgänge drängten nun Kurpfalz und auch Kurtrier den Grafen Heinrich, die Schenkung der Sayner Grafschaft an das Haus Sulz zu widerrufen. Es kam dann, als Dorothea Katharina sich dagegen wiederum wehrte, zum komplizierten Rechtsstreit, der in einem Vergleich vom 4. Juli 1603 zu Coblentz geschlichtet wurde. Demnach verblieben nur noch die Herrschaften Monklar und Meinzenberg bei Dorothea Katharina, während ihr Anspruch auf die übrige Grafschaft Sayn abgewiesen wurde und laut vorherigem Testament Wilhelm von Wittgenstein als Erbe blieb.

Dieser drängte nun immer stärker von der Pfalz her zur Mitregentschaft, und es gelang ihm, mit dem senilen Grafen Heinrich am 13. November 1603 in Engers zu einem Vertrag zu kommen, in dem ihm die Teilnahme an der Herrschaft schon eingeräumt wurde. Dennoch ließ ihn Graf Heinrich noch zwei Jahre warten, ehe er ihm am 12. September 1605 die Mitregentschaft gestattete. Dann allerdings bei zunehmender Altersschwäche übergab er dem Grafen Wilhelm die gesamte Grafschaft Sayn mit allen Burgen, Städten und Bergwerken. Graf Heinrich IV. starb bald danach am 17. Januar 1606.

Mit ihm erlosch die Sayn-Sponheimsche Linie im Mannesstamm. Er war der letzte Graf auf der Sayner Burg, da gleich nach seinem Tod der Kurfürst von Trier, Lothar von Metternich, von seiner Feste Hermannstein aus (dem späteren Ehrenbreitstein) Burg Sayn besetzen ließ. Dies hatte er bereits beim Antritt der Mitregentschaft des Wittgensteiners versucht, wobei der Burgkastellan mit der Besatzung sich heftig gegen das kurtriersche Kriegsvolk zur Wehr setzte. Im Schußwechsel war er tödlich verletzt worden, doch hatte er die Besetzung der Burg vereitelt.

Nun aber, als Graf Wilhelm von Wittgenstein mit dem Leichenzug nach Hachenburg, wo Graf Heinrich in der Familiengruft beigesetzt wurde, fern der Burg unterwegs war, hatte der Trierer Kurfürst kurz entschlossen diese als erledigtes Manneslehen für sein Kurland wieder eingezogen. Er ließ die Burg Sayn von seinen Leuten besetzen, das Triersche Wappen am Tor anbringen und die Bevölkerung auf den neuen Landesherrn huldigen. Ferner ließ der Kurfürst alle über 100.000 Florin geschätzten wertvollen Möbel, Inventar, Waffen, Archive u. a. m. nach Trier abtransportieren. Unter den weggeschafften Kostbarkeiten befand sich auch das berühmte Schwert Heinrichs III., des Großen, das noch lange auf dem Ehrenbreitstein aufbewahrt wurde, bis es Erzbischof Karl Kasper von der Leyen im 17. Jahrhundert dem Grafen Salentin Ernst von Manderscheid und Blankenheim verehrte. Weiter ließ Kurfürst Lothar von Metternich in gleichem Zug das Kirchspiel Heimbach-Weis, die Sayn’schen Höfe Irlich, Urmitz und Rheinbrohl von seinen Truppen besetzen, die Bevölkerung ihm huldigen und so das Land unter seine Oberhoheit bringen.

Burg Sayn nach der Zerstörung 1632 durch schwedische Truppen

Graf Wilhelm von Wittgenstein erhob wohl dagegen bei Kaiser und Reichsständen Protest und wurde auch von Kurpfalz unterstützt, aber es blieb dann dabei, zumal er militärisch nicht in der Lage war, eine Änderung herbeizuführen.

Die altehrwürdige Stammburg Sayn, erbaut Mitte des 12. Jahrhunderts, in deren Mauern so viele Großen ihrer Zeit, Könige, Erzbischöfe und Fürsten und sogar eine Heilige (Elisabeth von Thüringen) einkehrten, stand nun leer und verwaist da als ein Symbol, daß ein bedeutender Abschnitt mittelalterlicher Geschichte zu Ende ging und eine neue Ära mit wirtschaftlichen, politischen und religiösen Umwälzungen begonnen hatte. Sie führten schließlich zum großen, dreißig Jahre andauernden Krieg, in dem dann auch die Burg Sayn zerstört wurde.

Einige Ansichten der Burg Sayn

Bild 2 von 4