Über die landesrechtlichen Verhältnisse und die Bevölkerungsbewegung in den Saynschen Landen möchte ich noch anführen: Die Landstände bildeten:
- die Äbte von Marienstatt und Sayn
- Der Ritter- und Herrenstand
- Die Vertreter der Städte Altenkirchen, Hachenburg und Bendorf.
Die Grafschaft Sayn-Altenkirchen bestand aus folgenden Ämtern:
- Altenkirchen
- Bendorf
- Friedewald
- Freusberg
Nach einer Statistik aus dem Jahre 1787 hatten von den größeren Orten der Grafschaft:
- Bendorf 235
- Altenkirchen 112
- Daaden 129
- Fischbach 66
- Herdorf 58
- Freusburg 52
- Gebhardshain 47
- Kirchen 46 – Haushaltungen
Die Kopfzahl der Einwohner betrug im Jahre 1787 in Bendorf 1506.
Wenn wir dem gegenüber stellen, daß Koblenz damals ca. 5000 Einwohner hatte, so ist damit bewiesen, daß der Marktflecken Bendorf in den vergangenen Jahrhunderten ein Städtchen von Geltung und wirtschaftlicher Bedeutung war. Die Stammburg der Grafen von Sayn und der Flecken Sayn gehörte 1787 schon eine Reihe von Jahren nicht mehr zur Grafschaft Sayn, sondern zu Kurtrier.
In einer umfangreichen historisch-statistischen Beschreibung des Fürstlich Anspachischen Fleckens Bendorf heißt es in dem siebenten Stück des „Journals von und für Deutschland“:
„Bendorf am Rhein, ehedem Bedendorf genannt. Dieser Flecken liegt eineinhalb Stunde unter Koblenz und ebensoweit von Neuwied, auf der rechten Seite des Rheines, eine halbe Viertelstunde vom Ufer. Er gehört zur Reichsgrafschaft Sayn und zwar jetzt zur Altenkircher Hälfte derselben. Hier ist anzumerken, daß diese Grafschaft zwischen Anspach und Hachenburg geteilt ist, daß folglich die Anmerkung in der Gothaer Zeitung Jahrgang 1785 irrig schließen läßt, die Grafschaft Sayn seye unter Onolzbach und Kurtrier geteilt.
Das Erzstift Trier hat zwar das, eine halbe Stunde von Bendorf gelegene, alte Bergschloß Sayn, den dabey befindlichen Flecken gleichen Namens und noch einige Örter als heimgefallene Lehen und durch Vergleich in Besitz. Das Übrige aber, welches teils in Allodialstücken, von teils in Kurköln, Kurtrier, dem Herzogtum Berge und Hessen-Darmstadt, aufgehobenen Kunkel-Lehen bestehet, ist zwischen Anspach und Hachenburg geteilt, worunter denn auch Bendorf zu den eigentlichen Erb- und Allodialstücken gehört. Dieser Flecken kam beim Absterben des letzten Herzogs von Sachsen-Eisenach, Wilhelm Heinrich, der mit dem Hause Brandenburg-Onolzbach von der Sayn’schen Erbtochter Johanette abstammte, an die Saynschen Erben“.
Dem Hause Anspach trat die Königin von Engeland und Kurfürstin von Hannover, Wilhelmine Caroline 1727 ihre Ansprüche auf die Grafschaft Sayn ab, doch mit dem Vorbehalt, daß, wenn keine Erben da wären, Sayn-Altenkirchen wieder an das Haus Hannover zurückfallen solle. Was der Verfasser in dem letzten Satz über die Ansprüche des Hauses Hannover erwähnt, wurde von dem Markgrafen Alexander zu Brandenburg- Onolzbach, der ohne Erben war, in der Weise geregelt, daß bereits 1783 am 23. Juni in Altenkirchen ein Staatsvertrag zwischen dem König von England und dem Hause Brandenburg- Anspach abgeschlossen wurde, welcher dem König von England, als Kurfürst von Lüneburg-Hannover den Mitbesitz der Grafschaft sicherte, jedoch alle Hoheitsrechte dem Markgrafen bis zu seinem Ableben beließ. England bezahlte für die garantierten Rechte 60 000 Reichstaler an das Haus Anspach. Die vorbehaltene Huldigung der Bevölkerung wurde für einzelne Tage des Monats Oktober vorgesehen.
Im Beisein des fürstlichen Vertreters Freiherrn von Pöllnitz und des englischen Rates Ompteda huldigte Altenkirchen am 28. Oktober. Friedewald weigerte sich, doch als man den Wortführer gefangen setzte, wurde dort am 29. Oktober gehuldigt und am nächsten Tage in Freusburg. Am 1. November huldigte auch Bendorf. Zur Besitzergreifung durch England kam es nicht.“
Durch die verwandschaftlichen Verhältnisse des Hauses Brandenburg-Onolzbach- Ansbach mit dem Hause Hohenzollern kam Bendorf im Jahre 1791 an Preußen und wurde damit der erste preußische Ort am Mittelrhein. Dann kam die Stadt 1803 durch Reichsdeputationsbeschluß an Nassau-Usingen, fiel 1806 an das Herzogtum Nassau und 1815 – diesmal mit Sayn und Mülhofen – wiederum an Preußen.
Die im Mittelalter zum Schutze des Städtchens errichtete Stadtmauer hatte vier Tore, und zwar das Steintor am Ausgang der Straße nach Grenzhausen. Das Engerstor oder die Engersport lag in der Nähe der jetzigen Apotheke, das Bachtor am Ausgang der Bachstraße und das Burgtor neben dem alten Kastell, der Burg, in der Nähe der Kirche. Während des 30-jährigen Krieges waren Stadtmauer und Tore in einem guten Zustand. Gemeinderechner Hieronimus Schramm berichtet in seiner Rechnung von 1460, daß die Tore jeden Abend sorgfältig geschlossen wurden.
Vor der Stadtmauer nach Sayn zu, hatten sich bei der Vergrößerung Bendorfs durch Ausbreitung von Handel und Gewerbe viele Bürger angesiedelt, die innerhalb der Mauern keinen Platz fanden. In alten Urkunden nannte man diese Siedlung Oniegendorf, auch Oyndorf, Heute noch heißt dieser Teil der Stadt Andorf. Das alte Bendorf zeigte nach einer Karte, die sich im Bendorfer Heimatarchiv befindet, ein Gewirr von Gehöften, Kelterhäuser usw. Auf dieser Karte ist nur der oberhalb der Hauptstraße liegende Teil der Stadt ersichtlich. Die Bachstraße führt heute noch den früheren Weg. Indessen ging eine Straße vom Steintor schräg durch das heute zwischen Steinstraße, Bergstraße, Hauptstraße und Bachstraße liegende Häuser-Geviert und mündete an der Ecke von Gebr. Tilemann in die Bachstraße.
Am 31. Juli 1743, nachmittags gegen 5 Uhr, brach dort, wo jetzt Stein- und Bergstraße zusammenstoßen, ein großer Brand aus, der sich gewaltig ausdehnte. Innerhalb kurzer Zeit fielen 77 Wohnhäuser, 44 Scheunen, 61 Ställe und 24 Kelterhäuser – insgesamt 206 Gebäude – dem Feuer zum Opfer. Etwa 200 Menschen wurden obdachlos. Das Feuer soll in der Branntweinbrennerei des Hammerschmiedes Bartholomäus Syre (Mitte Steinstraße) ausgebrochen sein.
Die Behörde zeigte großes Verständnis für die ungeheure Katastrophe, die Bendorf betroffen hatte und erließ mit Umsicht und weitem Blick eine Reihe von Verordnungen. Sie billigte, daß der Amtsverwalter von dem Faktor Wilhelm Remy 100 Taler borgte und unter die Bedürftigen verteilte; sie schickte den hochfürstlichen Feldmesser Sturm von Daaden zur Aufnahme des Fleckens.
Aus diesen Verordnungen sei folgendes angeführt
1. Niemand dürfe auf eigene Faust und nach eigenem Ermessen bauen oder wiederaufbauen, er habe vielmehr damit zu warten, bis ein Plan zum Wiederaufbau des Fleckens von der Regierung vorgelegt würde, der so gestaltet sein werde, daß jede Enge der Bebauung vermieden wird, und daß fernere Feuersgefahr auf das Erdenklichste eingeschränkt bleiben werde.
2. Unter keinen Umständen dürfen wieder Strohdächer hergestellt werden, und die noch vorhandenen Strohdächer auf den nicht abgebrannten Gebäuden seien sofort durch Ziegeldächer zu ersetzen.
3. Das schon eingelieferte Zehntgetreide soll sofort gedroschen und der Drusch an die Bedürftigsten ausgeteilt werden.
4. Die Obdachlosen sollen teils in Alsbach – das damals zu Bendorf gehörte – oder sonstwo untergebracht werden und es sollen einstweilen vor dem Saynischen Tor „Baraquen mit geschmeidigen Kosten“ von Holz und Brettern errichtet werden.
5. Eine Kollekte wird nicht nur in den Sayn-Anspach’schen Landen, sondern auch außerhalb bewilligt und empfohlen.
6. Die Verwaltung in Altenkirchen und Hachenberg werde später für Beschaffung von Baugerät und anderen Materialien sorgen.
7. Es soll sofort eine Ziegelhütte hergestellt werden, in der die erforderlichen Bausteine gebacken werden könnten.
8. Die zur Zeit arbeitslosen Arbeiter sollen durch Tagelohn bei dem bevorstehenden Wiederaufbau des Fleckens beschäftigt werden.
Vier Pläne wurden damals für den Wiederaufbau geschaffen. Die Pläne sehen alle eine regelmäßige Bebauung durch viereckige Häuserblocks und dazwischenliegende gerade Straßen vor. Ein Plan befindet sich unter Glas und Rahmen in unserem Heimatarchiv, die drei anderen im ehemaligen Staatsarchiv zu Koblenz.
Der größte Teil der Stadtumwallung und der große massive Turm, die sogenannte ,,Katz“, der etwas unterhalb des Siegburger Hofes – ungefähr dort, wo heute das Geschäftshaus Haas steht – sich befand, wurde abgebrochen.. In der Stadt wohnten in der Mehrzahl Katholiken, in der Minderzahl Lutheraner, Reformierte. Die Reformierten erbauten 1773 eine eigene Kirche; 1809 auch eine eigene Schule.
In dem harten Winter 1784-85 erfroren die Weinreben in den Weinbergen und -Gärten, welche die Stadt umgaben. Damit war mit einem Schlage der Weinbau und der lebhafte Weinhandel in Bendorf vernichtet.
Die Industrie des Mittelrheins hatte ihre Geburtsstätte in Bendorf. Die Bendorfer Gemarkung ist reich an Erzen, Ton, tonhaltigem Sand und Bims. Diesen Naturschätzen in dem heimischen Boden haben wir die Entstehung und Entwicklung unserer beachtenswerten Eisen- und Steinindustrie zu verdanken.
Über die Güte der in der Bendorfer Gemarkung gewonnenen Eisenerze berichtet im Anfang des 19. Jahrhunderts der bekannte Bergrat Eversmann in seinem Werk über die Stahlerzeugung an Rhein und Ruhr, daß das französische Staatswerk zu Geislautern ohne das Bendorfer Stahleisen nicht auskommen konnte. Ebenfalls spricht für die Güte der im Bendorfer Waldgebiet gewonnene Pfeifen- und Töpferton, daß die Kannenbäckerzunft des Westerwaldes, zu der auch die Bendorfer Töpfer und Pfeifenbäkker gehörten, z. B. für 10 Eimer Bendorfer Ton 20 Silbergroschen, jedoch für 50 Schollen Heide- oder Eks- Ton nur 2 1/2 Silbergroschen zahlten. Von den von der Zunft für ihre Zwecke benutzten Tongruben gehörten die Bendorfer zu den meistgenannten.
Im Jahre 1720 errichtete der Ansbach’sche Kommerzienrat Wilhelm Remy das Bendorfer Eisenbergwerk auf der Vierwindenhöhe
Dieses ging 1875 in den Besitz von Krupp-Essen über und beschäftigte in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts 250 bis 300 Bergleute. 1722 erwarb Hoffmann aus Rotterdam das Steinbrücker Eisenwerk. Ferner wurden Erze verhüttet in dem Hüttenwerk am Rhein. In letzterem wurde 1803 durch die mittlerweile vereinigten Eisenindustriellen Remy & Hoffmann ein großer Hochofen gebaut. 1804 erfolgte die Errichtung einer Eisenhütte oberhalb Bendorf in der Nähe des Oberhofes, die sogenannte Oberhütte, Nicht weit davon befand sich das in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegründete Chamottewerk der Firma Flohr.
Die Pfeifenbäcker hatten ihren Betrieb in der Nähe der Steinstraße. Auf diese Tätigkeit weist noch heute die Bezeichnung „Hinterm Backofen“ für den die Grenzhäuserstraße und Hauptstraße verbindenden Straßenzug hin.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden noch eine Anzahl bedeutender Werke der Eisen- und Steinindustrie, über die ich noch ausführlicher berichten werde. Ebenfalls wird über die im vergangenen Jahrhundert hier errichteten und für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Bendorf bedeutsamen Nervenkur- und Heilanstalten der Leser Näheres in einem weiteren Abschnitt der Heimatschilderung erfahren.
Den besten Maßstab für die Auswirkung der wirtschaftlichen Kräfte der Stadt Bendorf in den verflossenen Zeiten gibt uns ein kurzer Überblick über die Bevölkerungsbewegung von 1774 bis zur Gegenwart:
Bendorf hatte Einwohner:
- 1774 – 1369
- 1787 – 1506
- 1817 – 1560
- 1842 – 2800
- 1880 – 3985
- 1907 – 6000
- 1925 – 6700
- 1932 – 10500
- 1934 – 10571 einschl. Sayn u. Mülhofen
- 1939 – 10434 … „
- 1950 – 11465 … „
Nach dem Ortsverzeichnis des Amtsblattes der Königlichen Regierung von Koblenz von 1817 betrug die Einwohnerzahl im Bürgermeistereibezirk Bendorf:
- Bendorf 1560
- Sayn 619
- Mülhofen 84; davon im Dorf 72, Champagnermühle 8, Rote Hammer 4.
Pfarramtlich gehörten, nach Angaben des Reg.-Amtsblattes von 1817, die Einwohner von Bendorf zur Pfarrei Bendorf, die Einwohner von Sayn zur Pfarrei Sayn und die Einwohner von Mülhofen zur Pfarrei Bendorf.
In Deutschland führen folgende Orte den Namen Bendorf oder Benndorf: Bendorf in Schleswig Holst. Kreis Rendsburg 249 Einwohner; Benndorf, Provinz Sachsen, Kreis Delitzsch 194 Einwohner; Benndorf bei Klostermansfeld, Kreis Eisleben 1684 Einwohner; Benndorf, Provinz Sachsen, Kreis Merseburg 699 Einwohner; Benndorf, Provinz Sachsen, Kreis Naumburg 136 Einwohner; Benndorf bei Gröbers 197 Einwohner; Benndorf bei Frohberg 594 Einwohner. Außerdem gibt es noch ein Bendorf bei Boleben im Elsaß, (Frankreich).
Sayn und Mülhofen, seit 1928 durch Verfügung der Landesbehörde mit der Stadt Bendorf zu einem Gemeinwesen vereinigt, sind seit Jahrhunderten mit Bendorf eng verbunden. Sayn durch sein Grafengeschlecht und die engen nachbarlichen Beziehungen. Und Mülhofen bot durch die im Bendorfer- und nahen Westerwaldbezirk liegenden Rohstoffe und die aus dem Sayn und Brextal kommenden starken Wasserläufe, ebenso wie Sayn, die Voraussetzungen zur Anlage größerer Industriebetriebe und konnte sich zu einem ansehlichen Ort entwickeln. Der Stadtteil liegt auch in dem Bereich des römischen Kastellgebietes. Funde aus der römischen Zeit sind mehrfach auf Mülhofener Gelände (Bimsgrube Kohl) gemacht worden.
Von Interesse dürfte sein, daß sich Bendorf im Laufe der Jahrhunderte bezüglich seiner Stadtrechte nicht die Geltung verschaffte, die der Stadt auf Grund der örtlichen Entwicklung zukam, Im Mittelalter gehörte sie zu den 3 Städten der Grafschaft Sayn (Altenkirchen – Hachenberg – Bendorf). Bei Einführung der rheinischen Städteordnung am 16. Mai 1856 wurde allen im Stande der Städte vertretenen Gemeinden, darunter auch Bendorf, die Frage vorgelegt, ob sie die Verleihung der Städteordnung beantragen wollten. Die befragten Städte des engeren Bezirkes, Linz, Neuwied, Sinzig, Vallendar, nahmen die Städteverfassung an, während Ehrenbreitstein und Bendorf von dem ihnen verliehenen Recht keinen Gebrauch machten und der Landgemeindeordnung den Vorzug gaben. Bendorf hatte zwar den Titel „Stadt“ damit nicht verloren, wohl aber auf einzelne Vorrechte, z. B. Wahl des Bürgermeisters, verzichtet. Dieser Unterschied zwischen den Städten der Rheinprovinz wurde im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts beseitigt. Die nach der Landgemeindeordnung in der Rheinprovinz verwalteten Städte waren folgende: Angermund, Baumholder, Bendorf, Ehrenbreitstein, Geilenkirchen, Grevenbroich, Bedburg, Bergheim und Meisenheim.
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