Aus der Geschichte unserer Heimat
Von Hans Scharfenstein
Alles andere als langweilig waren die Geschicke, die unser Heimatstädtchen Bendorf in seiner langen Vergangenheit erleben und bewältigen mußte. Daß „der Flecken“ auch viele Jahre lang ein Ort war, der an der Grenze des Landes und Reiches lag, dürfte vielen wohl unbekannt sein, ja, unglaubhaft erscheinen. Bendorf ein Grenzort? Unmöglich wird sich mancher sagen, mitten am Rhein und ein gutes Stück von allen Nachbarstaaten entfernt gelegen. Und doch hat es damit seine Richtigkeit. War es doch Bendorf vorbehalten, immer sein gutes Teil der schicksalhaften Folgen mitzubekommen, welche „Hohe Politik“ mit allen ihren Manipulationen, Ungesetzmäßigkeiten und Gebietsannexionen mit sich brachte. Unsere Vorfahren mußten dabei manches erleiden und erdulden, was den normalen Ablauf des Alltags beträchtlich übertraf und damit manches schicksalhafte Ereignis nach sich zog.
Bei der Schilderung soll weniger auf die Grenzen Bendorfs zur „Herrschaftlichen Zeit“, also im Mittelalter, sowie im 17. und 18. Jahrhundert eingegangen werden, als vielmehr von der Zeit, als Bendorf nassauisch und preußisch war. Dabei lag unser Heimatstädtchen einmal an der Grenze der deutschen Lande und später an der Grenze des Königreichs Preußen.
Als Bendorf noch „saynisch“ war, bildete der Ort mit seiner ausgedehnten Gemarkung und den großen Waldungen die Grenze zu kurtrierischen-, wiedischen- und nassauischen Landen. Eine Kuriosität bedeutete damals die Tatsache, daß Bendorf saynisch war, der Ort Sayn aber, aus dem ja das Geschlecht derer von Sayn stammt, seit dem Tod Heinrich IV. im Jahre 1606 bereits kurtrierisch geworden war und mit den Nachfolgern der Sayner Grafen nichts mehr zu tun hatte.
Bendorf, damals als südlichster und einziger am Rhein gelegener Ort der Grafschaften „Sayn-Altenkirchen“ und „Sayn-Hachenburg“, erlebte in der Folgezeit die seltsamsten Geschicke. Durch Erbfolgen und Verkauf kam Bendorf schließlich im Jahr 1791 zum Königreich Preußen und wurde damit der einzige preußische Ort am ganzen Mittelrhein.
Damals war der Beginn einer die Welt verändernden Epoche. Von Frankreich her strömten Revolutionsarmeen ostwärts und besetzten und annektierten die gesamten linksrheinischen deutschen Gebiete. Für gut 20 Jahre waren dadurch auch die Bendorf gegenüberliegenden Orte, St. Sebastian, Kaltenengers und Kesselheim, französisches Hoheitsgebiet geworden. Der Rhein bildete die Grenze zwischen den deutschen Kleinstaaten und Frankreich. Bendorf war also zu einem Grenzort avanciert. In diesen turbulenten Zeiten blieb Bendorf das Schicksal vieler Grenzstädte nicht erspart.
Obwohl Preußen sich neutral verhielt, wurde unser Heimatort durch die Kämpfe der Österreicher und ihrer Verbündeten gegen die Franzosen oft in Mitleidenschaft gezogen. Monatelange Besetzungen mit all ihren Beschwernissen waren an der Tagesordnung. Erinnert sei an die Geschehnisse vom 2. Juli 1796, als in aller Herrgottsfrühe die angreifenden Franzosen Bendorf dreimal stürmten. Den ganzen Tag über tobten erbitterte Gefechte in der Bendorfer Gemarkung mit den Österreichern, wobei viele Soldaten beider Seiten auf Bendorfer Boden ihren Tod fanden.
Not und Sorgen sollten auch in den folgenden Jahren nur allzu oft treue Begleiter im Bendorfer Alltag werden und die gedeihliche Entwicklung sehr erschweren. Waren es einmal keine Kriegsereignisse, so waren öfter auch Naturkatastrophen die Ursachen manchen Rückschlages im Leben der Gemeinde. So brachte der Winter 1784/85 für Bendorf ein bitteres Mißgeschick mit sich. Er war so lang und streng, daß man noch nach Generationen von ihm sprach. Dem eisigen Frost fiel damals der gesamte Weinbau zum Opfer. Die Rebstöcke waren alle erfroren, und damit war eine der Haupteinnahmequellen Bendorfs verlorengegangen. Wenn man sich heute vorstellt, daß jahrhundertelang die Hanglagen vom „Rheinnieder“ aus übers „Kaltbrennchen, Horgraben, die Rheinhell, den Feigen-, Ohlen- und Neuberg“, weiter über die „Vierwinde, den Kolben, Goldberg“ und große Teile der „Bitz und Loh“ mit Weingärten bestanden waren, so ist zu ermessen, wie riesengroß das Ausmaß der Schäden war. Bendorf, bis dahin ein überall bekannter Weinort, dessen Handel sich bis zum Niederrhein erstreckte, war damit seiner Grundlage des bescheidenen Wohlstandes schlagartig beraubt worden. Noch heute sind auf Bendorfs Hängen die alten etagen- und terrassenförmigen Weinbergsanlagen zu erkennen. In diesem Zusammenhang darf auch erinnert werden, daß zu allen Zeiten in Bendorf ein trinkfestes, weinfrohes und zu allerlei Schabernack und Späßen aufgelegtes Völkchen wohnte, das auch in schwerer Zeiten nie den Humor verlor.
Trotz der unsicheren Zeiten wurde manch Bedeutsames geschaffen. So begannen 1790 die Katholiken südlich an das Reichardsmünster eine neue Kirche anzubauen. Den Plan, die Kirche im Andorf zu errichten (etwa an der heutigen Poststraße), ließ man fallen. Als man nach drei Jahren das neue Gotteshaus einweihte, war damit zugleich ein großer Teil der Spannungen beseitigt, die seit der Wegnahme der alten Kirche im Jahre 1598 zwischen Katholiken und Evangelischen bestanden hatten.
Am meisten diente dem „Konfessionsfrieden“, daß die Evangelischen den Katholiken beim Bau der Kirche halfen. Ob draußen in den Steinbrüchen beim Schlagen der Steine, beim Transportieren derselben mit eigenen Fuhrwerken oder am Bau selbst, überall wurde zugepackt und geholfen.
Damit hatten alle vier in Bendorf bestehenden Religionsgemeinschaften würdige Gotteshäuser. Die Juden, von jeher in Bendorf stark vertreten und als Händler, Kaufleute und Metzger gewerblich tätig, hatten sich im Judengäßchen (heute Spitalgasse) um 1770 eine Synagoge erbaut und waren allezeit vollintegrierte Bürger Bendorfs gewesen. Auch die Anhänger des reformierten Glaubens hatten sich in der Nähe des Niederhofs 1773/74 eine eigene Kirche gebaut und nannten sie die „Untere Kirche“. Toleranz war damals kein leerer Begriff, man respektierte sich gegenseitig.
Seit 1787 war Johann Peter Klein aus Deesen katholischer Pfarrer in Bendorf und sollte es 40 Jahre lang bleiben. Die evangelischen Pfarrer damals hießen Winter und später Largard. Winters Haus stand dort, wo sich jetzt das Kaufhaus BEKA befindet. Es war über Generationen hinweg im Besitz dieser begüterten Bürgerfamilie.
Den wesentlichsten Aufschwung Bendorfs brachte die frühe Industrialisierung mit sich. Unaufhaltsam entwickelte sich der ehemalige Weinort zu einem bedeutenden Industrieort Unternehmergeist, gepaart mit Schaffensfreude, hatten in steter Folge ein Werk nach dem anderen entstehen lassen und brachten damit „dem Flecken“ einen ungeahnten Aufschwung und einen gewissen Wohlstand, der allen Bürgern zugute kam.
Viele Jahrzehnte vorher wurde auf der Vierwinde und etwas später in der Loh nach Erz gegraben und in der Bendorfer Hütte geschmolzen und verarbeitet. Tief im Bendorfer Hinterwald gelegen, war der uralte „Steinebrücker- Hammer“ immer noch in Tätigkeit, und man schürfte das Erz nach Wie vor im nahegelegenen Eisenberg. Die Transportwege führten in jener Zeit noch durch das stille Josefstal hinauf, wo man sie noch heute gut erkennen kann. Im Oberhof war die Steinefabrik des Simon Flohr schon lange in betrieb, und den Ton holte man sich im Gumschlag in den eigenen Gruben. Kannen- und Pfeifenbäcker übten zahlreich in Bendorf ihr Gewerbe aus. Ihre Brennöfen standen damals etwa dort, wo heute die Straße „Hinterm Backofen“ herführt. Diese und noch viele andere Gewerbebetriebe, sowie ein starker Handwerkerstand, der in drei Zünften zusammengefaßt war, sie alle schufen mit ihrem emsigen Fleiß die solide Basis für ein blühendes und zufriedenes Gemeindeleben.
Allzu oft traten leider Rückschläge ein, deren Ursachen mit den durch die schlimmen Zeiten verbundenen hohen Abgaben, Steuern und anderen Belastungen verbunden waren. Bürgermeister in kürzeren Abständen waren damals Heinrich Maternus, Jakob Friedrich Neuhaus und Anton Kirschhöfer. Diese Männer hatten es ausnahmslos schwer, sollten sie doch allen Seiten gerecht werden.
Als im Jahre 1803, wiederum durch hohe Politik, Bendorf nassauisch wurde, hoffte man auf bessere Zeiten. Tatsächlich schien sich manches Positive anzubahnen. So erbaute 1804 die Firma Remy und Hoffmann am Eingang des Mühlentales eine zweite Eisenhütte, die sogenannte „Obere Hütte“ (heutige Schreinerei Kettemer). Am Mühlbach aufwärts lagen damals auch noch die herrschaftlichen Bannmühlen, die man als untere, mittlere und obere Mühle bezeichnete. Bei der oberen handelte es sich um eine uralte Ölmühle, deren Reste man noch heute gegenüber dem Haus „Waldfriede“ im Großbachtal erkennen kann. Ehrenreich Kirberger war damals über Jahrzehnte lang der Ölmüller.
Die mittlere und untere Mühle waren Kornmühlen und stehen zum Teil heute noch. Das heutige Hatzmann’sche Haus verkörperte damals die mittlere und das Haus Pook die untere Bannmühle. Alle Bürger Bendorfs waren verpflichtet, auf diesen beiden Mühlen ihre Frucht mahlen zu lassen und jeder, der diesen herrschaftlichen Bannbefehlen zuwiderhandelte, wurde mit empfindlichen Geldbußen bestraft. Ein großes Problem war damals der oft spärliche Wasserfluß des Bächleins, besonders bei langanhaltenden Trockenheiten. Wurden doch mit seinem Wasser drei Mühlräder und zwei Hüttenpochhämmer in Tätigkeit gehalten. Mancher Disput zwischen Hüttenherrn und Müllern war die Folge, bis man sich so arrangiert hatte, das jeder seinen gleichen Anteil von dem kostbaren Naß erhielt.
Am Hüttenweg (heutige Rheinstraße), „In den tiefen Wiesen“, wurde von Remys ein großer Hüttenteich angelegt, um dem leidigen Übel, der Wassernot, durch vorsorgliche Speicherung desselben bei gutem Wasserfluß vorzubeugen. Der „Steinebrücker- Hammer“, immer noch in Hoffmanns Besitz, war 1807 von einem Freudenberg aus Neuwied gepachtet. Die kontinuierliche Entwicklung im Jahre 1807 beweist nichts deutlicher als die Tatsache, daß von den etwa 1500 Einwohnern Bendorfs damals über 80 Handwerksmeister waren. Die Chronistenpflicht gebietet, diese heute einmal aufzuführen, um deutlich zu machen, daß viele dieser eh-renwerten Berufe bei uns ausgestorben sind. Es waren tätig: 5 Wagner, l Drechsler, 4 Schreiner, 3 Schlosser, 5 Hufschmiede, 2 Nagelsehmiede, 3 Maurer, 3 Weißbinder, 3 Steindecker, 3 Zimmerleute, 4 Küfer, l Sattler, l Pfeifenbäcker, 11 Schumacher, l Rothgerber, l Wollenweber, 2 Strumpfweber, 3 Leinenweber, 3 Hutmacher, 5 Schneider, 3 Metzger, 13 Bäcker und 2 Ziegelbäcker.
Diese Zahlen sprechen für sich. Der Beweis für ein gesundes Wirtschaftsleben könnte nicht deutlicher sein. Die Landwirtschaft wurde in jener Zeit hauptsächlich in der rund um Bendorf gelegenen Gemarkung betrieben. Die gewaltigen Acker- und Wiesenflächen des Langenberges, der Loh und auf dem Schnatz waren damals kaum bewirtschaftet worden und galten als Driesch- und Brachland. Aus einem Güterabschätzungsprotokoll jener Tage geht hervor, daß dieses Land durchweg nur mit der Güteklasse IV bezeichnet wurde, während die Äcker um den Ort in der Ebene die hervorragenden Noten I, II und III erhielten und damit als äußerst fruchtbar galten.
Die bezeichneten Brachflächen blieben allerdings nicht ungenutzt liegen, im Gegenteil, der praktische Erwerbssinn unserer Vorfahren wußte sie anderweitig und erfolgversprechend zu nutzen. Große Schafherden weideten das ganze Jahr auf diesen Gebieten und anhand der damals gezahlten hohen Steuern der Bendorfer Schäfer geht hervor, daß Ihr Beruf sehr einträglich war. Noch heute deutet der Walddistrikt „Im Schafstall'“ auf diese Zeit hin.
Mittlerweile schrieb man das Jahr 1810. Napoleon überzog große Teile Europas mit Krieg. Viele rheinische Fürsten, unter Ihnen auch unser Landesherr, der Herzog von Nassau, waren treue Vasallen desselben geworden. Diese Umstände sollten fürs Land. aber ganz besonders auch wieder für Bendorf, schicksalhafte Begebenheiten aller Art mit sich bringen. Als williger Sollerfüller der napoleonischen Forderungen blieb dem Herzog, der seine Residenz von Nassau nach Engers ins dortige Schloß verlegt hatte, nichts anderes übrig, als alles auf seine Untertanen abzuwälzen. Das Dekret mit der Anordnung, ganze Jahrgänge zum Militärdienst auszuheben, um fortan als Soldaten Napoleons an dessen Feldzügen überall teilzunehmen, war wohl das Schlimmste von allem. Viele Bendorfer und Sayner kämpften und starben damals auf allen Kriegsschauplätzen, ob fern im heißen Spanien oder in Rußlands Eissteppen. Hohe Abgaben, Einquartierungen und Requirierungen waren wieder an der Tagesordnung, und die allgemeine wirtschaftliche Tendenz war stark rückläufig.
Die Menschen ersehnten überall den Frieden. Und als der Stern Napoleons 1813 endgültig am sinken war, faßte man wieder Hoffnung. Ein untrügliches Zeichen, daß es dem Ende zuging, war die Tatsache, daß sich in jenem Sommer viele desertierte, französische Soldaten im Bendorfer Wald versteckt hielten und es deshalb Bendorfs Frauen nicht wagten, wie gewohnt, in demselben nach Reisig, Beeren und Kräutern zu suchen. Mit dem Einmarsch der Russen im Spätherbst 1813, die uns vom französischen Joch befreiten, und deren Einquartierung kam nochmals eine große Belastung auf Bendorf zu. Mußten doch damals von Ende Oktober an im Herzogtum Nassau etwa 80 000 Mann und 30 000 Pferde mehrere Monate lang von den Einwohnern ernährt werden.
Im Schloß zu Engers befand sich das russische Hauptquartier und von Neuwied bis Oberlahnstein sowie von Dierdorf bis Montabaur waren damals alle Orte mit starker russischer Einquartierung belegt. Die Sorgen und Nöte begannen von neuem. Von den Truppen eingeschleppte pestartige Krankheiten und Viehseuchen, der geringe Wohlstand und die dahingeschmolzenen Vorräte stellte auch Bendorfs Einwohnerschaft vor harte Probleme. Hatte doch jeder Russe täglich das Recht auf eine Ration Branntwein, ferner zum Frühstück Brot, Butter oder Käse, mittags auf Suppe, Fleisch, Gemüse, Brot und einen Schoppen Bier sowie abends wieder Suppe, Brot, Butter und Käse. Außerdem zum Schlafen einen Strohsack und Decken. Bevorzugt wurde von ihnen aber am liebsten Branntwein und Speck. Voll Verwunderung beobachteten damals die Bendorfer die seltsamen Sitten und Gebräuche dieses fremden Kriegsvolkes. So zum Beispiel schlugen sie, zum Erstaunen aller, beim trinken eines Glases Schnaps, jedesmal das Kreuzzeichen.
Im evangelischen Pfarrhaus, beim Pfarrer Largard, hatte sich ein Pope, der als Feldgeistlicher die russischen Truppen betreute, einquartiert, und in der evangelischen Kirche haben damals sicher für die Soldaten russische Gottesdienste stattgefunden. Auch für Pfarrer Heinrich Theodor Ferdinand Otto, evangelischer Pfarrer in Bendorf vom 30.5.1812 bis 19.8.1921, blieb diese Zeit nicht in bester Erinnerung, fehlte doch plötzlich aus dem Kirchenschatz eine wertvolle, alte, goldene Hostienkapsel. Bei vorsichtiger Andeutung seinem russischen Amtsbruder. gegenüber vom Abhandenkommen des wertvollen Gegenstandes, wies dieser entrüstet jeden Verdacht von sich. Auch der befragte Bursche desselben verneinte einen Diebstahl und so blieb die Sache für immer unaufgeklärt.
Von der Flexibilität des Landesherrn und seinem Geschick, rechtzeitig die Seiten zu wechseln, soll nachstehend die Rede sein. Mitte Dezember erließ er Aufrufe zur Bildung einer nassauischen Infanterie-Brigade von Freiwilligen, in der Stärke von 86 Offizieren und 3620 Soldaten, die jetzt allerdings gegen Napoleon kämpfen sollten. Dieser patriotischen Aufforderung folgten reichlich Spenden aus allen Kreisen der Bevölkerung, So wird berichtet, daß die Bendorfer Hüttenherren Remy und Hoffmann 913 Taler stifteten. Außerdem meldeten sich drei Söhne dieser Familien freiwillig zum berittenen Jägerkorps dieser Brigade, stellten ihre gesamte Ausrüstung selbst und nahmen am Angriff und der Bekämpfung des Feindes teil.
Wie bekannt, fand der Angriff in der Neujahrsnacht 1813/14 statt. Weniger bekannt aber war, daß Kosaken von Bendorf aus bereits am Tage zuvor bei nebligem Wetter zum feindlichen Ufer übergesetzt waren und von St. Sebastian über Kesselheim bis zur Moselmündung Erkundungsritte unternahmen. Beim Hauptübergang am 31. Dezember waren es die von Bendorf und Vallendar zuerst übergesetzten russischen Truppen, die schon um 10 Uhr abends Koblenz angriffen.
Mit dem Sieg der verbündeten Armeen schienen endlich wieder friedliche und normale Zeiten zu beginnen. Aber schon 1815 mußten wiederum viele Bendorfer, diesmal auf preußischer Seite kämpfend, in der denkwürdigen Schlacht bei „Waterloo“ den ganzen Schrecken schlimmster Kriegsereignisse kennenlernen. Beim anschließenden „Wiener Kongreß“ wurde, neben vielen anderen Orten, auch Bendorf dem Herzogtum Nassau abgesprochen und kam dafür zum Königreich Preußen. Damit war Bendorf schon zum zweitenmal unter deren Herrschaft.
Mit der Einverleibung Bendorfs in den preußischen Staat entwickelte sich in der Folge ein ruhiges, gesichertes Gemeindeleben. Den Bürgermeistern J. M. Eylert, Philipp Berg, Jakob Bender, Anton Schmitt und Arnold Schmitzhaus folgte nun Jakob Andreas Neizert, der einer Bendorfer Weinhändlerfamilie entstammte. Kaum begann man sich von den Schrecken der zurückliegenden Jahre zu erholen, brachte eine Hungersnot erneutes Elend mit sich. Die Ursache war eine verheerende Mißernte im Jahre 1816, entstanden durch dauerndes kaltes Regenwetter, verbunden mit frühzeitigem Schneefall, der die Ernte unmöglich machte und dadurch auf dem Felde verfaulte.
Eine empfindliche Teuerung war die Folge und 1817 hungerte das Volk durchweg. Da auch kein Saatgut vorhanden war, griff Preußen helfend ein. Man öffnete die Getreidemagazine und stellte den Untertanen die Nahrungsmittel zur Verfügung, An diese Zeit erinnern heute noch zwei Brötchen, von Bendorfer Bäckern damals gebacken, und eine Gedenkmünze in unserem Museum.
Das Jahr 1817 brachte für Bendorf auch manches Positive mit sich. Zum 300jährigen Gedenktag der Reformation, der in jenem Jahre gedacht wurde, war es ein Lieblingsplan des Königs, daß sich beide evanglischen Bekenntnisse in seinem Staat wieder vereinigen sollten. Dieser Aufforderung zur Union entsprachen von allen damaligen Gemeinden der Rheinprovinz zuerst die der lutherischen und reformierten Kirchengemeinden Bendorfs. Eine große goldene Erinnerungsmünze als Dank vom König erinnert noch heute daran. Damit hatte die evangelische Pfarrgemeinde in Bendorf jetzt zwei Kirchen und hielten in Zukunft ihren Gottesdienst zur Winterzeit in der heizbaren „Unteren Kirche“ und sonst in der andern ab. In dieses Jahr fiel auch die Eröffnung einer Apotheke durch Apotheker Göbel, in welcher dieser bis 1855 tätig war. Auch verschiedene Ärzte, die ihre Praxis damals ausübten, zeugten vom Fortschritt in Bendorf auf allen Gebieten. Neben einem Chirurg Haubold waren Dr. Cuno und Dr. de la Vigne jahrzehntelang als überall bekannte und beliebte Ärzte tätig. Letzterer hatte eine Winzerstochter zur Frau und hatte seine Praxis in deren elterlichen Haus (Leininger).
Die interessanteste Feststellung bedeutete aber die Tatsache, daß Bendorf nach wie vor ein Grenzort war. Obwohl der Rhein als Grenze fortgefallen, da die linksrheinischen Gebiete jetzt zu Preußen gehörten, war dies jetzt in entgegengesetzter Richtung, nämlich im Waldrevier in Erscheinung getreten. Grenzhausen, Grenzau und Nauort zu Hessen- Nassau und damit zum süddeutschen Bund gehörend, waren plötzlich zum Ausland geworden und die im Waldgebiet verlaufenden Ortsgrenzen dieser Gemeinden mit Bendorf dadurch Staatsgrenzen geworden.
Diesem Umstand trug Preußen dadurch Rechnung, daß es eine Grenzwache und ein Zollamt in Bendorf stationierte. Dem Förster Johannes Wittmann unterstanden 1818 fünf Wald- und Flurschützen. Mit Aufmerksamkeit beobachteten diese das Geschehen an dieser exponierten Stelle. Jakob Sauerborn, Georg Hartmann, Ernst Kaiser, David Maternus und Mathias Ludwig sind Namen, die heute noch in Bendorf geläufig sind.
Um Einstellung bei der Grenzwache bewarb sich 1819 auch der Bendorfer Bergmann Heinrich Kortzeborn. Derselbe verlor in der Schlacht bei Waterloo ein Auge und konnte daher seinen Beruf auf der Erzgrube Vierwinde nicht mehr ausüben. Sein Gesuch wurde aber abschlägig beschieden und beweist, daß der Dank des Vaterlandes schon damals recht fragwürdig war. Wenn wir uns heute vorstellen, daß das stille und verträumte Klingelbächlein, hoch oben im Bendorfer Wald, damals eine scharfbewachte Grenze war, so ist das schon verwunderlich, in jener Zeit jedoch eine harte Realität gewesen.
In der Mühlenstraße, in dem direkt unter der Mädchenschule gelegenen alten Haus mit der Jahreszahl 1821 an seiner Fassade, befand sich in den 20er Jahren ein Königliches Nebenzollamt II. Klasse. Zolleinnehmer Burk und die Zöllner Richard und Dumondt versahen dort ihren Dienst. Daß diese in ihrem Diensteifer manchmal übers Ziel hinausschossen und sich dadurch unbeliebt machten, soll nachstehende Begebenheit deutlich machen.
Daniel Himrod war damals Müller auf der unteren Mühle und Peter Böckling sein Mahlknecht. Als letzterer eines Sommerabends noch spät mit dem Fuhrwerk Mehl zu den Kunden transportierte wurde demselben von den angetrunkenen Zöllnern kurzerhand das Fuhrwerk samt Ladung beschlagnahmt. Er hätte die auf acht Uhr abends festgesetzte Sperrstunde, nach der sich kein Fahrzeug mehr außerhalb des Orts befinden dürfe, überschritten, wurde demselben klargemacht. Zusätzlich müsse eine Strafe zahlen.
Da es noch einige Minuten vor acht Uhr waren, protestierte Böckling gegen diese Eigenmächtigkeit und instruierte schleunigst seinen Meister. Als auch dieser heftigen Protest einlegte und die Ursache des späten Auslieferns mit dem durch die Trockenheit bedingten spärlichen Wasserflusses des Mühlbaches und dadurch verbundenen langsameren Mahlganges begründete, wurde Himrod kurzerhand im Zollamt inhaftiert. Ignoriert wurden auch die Aussagen von drei Augenzeugen, die bekundeten, daß sich das Geschehen tatsächlich vor der Sperrstunde abspielte. Es nützt alles nichts, der Müller mußte zahlen und die Bendorfer erregten sich damals sehr über solche Ungerechtigkeiten.
Die katholischen Kinder Bendorfs erhielten 1818 eine neue größere Schule. Die Pfarrgemeinde erwarb von dem Händler Johannes Christian Lotz das ehemalige herrschaftliche Kelterhaus und etablierte in ihm die Schule. Dieses Gebäude, 1846 abgebrannt, stand an derselben Stelle, auf der sich heute die 1848 erbaute Knabenschule am Kirchplatz befindet Unterricht erteilten in jener Zeit die Lehrer Jörn, Greb und Kamphausen.
Oft kam es vor, daß das Bächlein, das ja bis 1927 durch die Bachstraße lief, ehe es kanalisiert wurde, damals gründlich verfärbt war. Die Ursache waren Blaudruckbetriebe, die in demselben ihr gefärbtes Zeug spülten. Blaudruckmanufakturen befanden sich jahrzehntelang im heutigen Anwesen Lubens Richard und bei Günter Spies. Die Färbemeister waren Daniel Rudhardt und Joh. Jos. Richarz.
Erholt hatte sich auch das Marktleben, denn die 13 Vieh- und Krammärkte jedes Jahr in Bendorf waren überall bekannt und geschätzt. Die Bachstraße, der Marktplatz (heute Kirchplatz) und später auch der Gemeindegarten, waren dann Schauplatz lebhaften, emsigen Handelns und mit lautstarkem Leben erfüllt.
Um 1840 hatte sich die Bevölkerung gegenüber der Jahrhundertwende fast verdoppelt und betrug etwa 3000 Einwohner. Gleichzeitig weitete sich der Ortskern nach allen Seiten aus und neue Straßen und Baugebiete entstanden. Damals führte der Weg nach Sayn noch über den „Alten Saynerweg“, am einsam gelegenen Sayner Heiligenhäuschen vorbei und durch den Hellenpfad. Nach Vallendar ging es nur den „Vallerer Weg“ entlang, denn die Hauptstraße gab es noch nicht. Erst 1836 begann man vom „Finklerweg“ aus mit dem Bau derselben, kreuzte die damalige „Wegscheid“ (heute untere Remystraße) und führte dieselbe am „Plenzer“ und hinter der Kirche vorbei in den Ort.
Auf der anderen Stadtseite wurde die Straße dann durch das Andorf und die Ackerfluren „Hüttenbaum“, „Steinreusch“ und „den Sandstücken“ weitergeführt und setzte sich auf Sayner Gebiet durchs „Ackergrün“ und „am Silbecher“ vorbei fort. Mit Anlage dieser neuen Straße begann sich langsam aber stetig, eine bauliche Entwicklung außerhalb des Fleckens anzubahnen. Handlungen, Geschäfte, Handwerksbetriebe und Fabriken ließen sich längs derselben nieder. Sie wurde somit zur neuen Hauptstraße Bendorfs.
Unaufhaltsam schritt die industrielle Entwicklung von Bendorf vorwärts. Viele bedeutende und traditionsreiche Industrieunternehmen wurden damals gegründet und fügten sich den bereits ansässigen Werken bei. So entstand 1838 in Rheinnähe die Kupferhütte (heute Dr. Otto) und am Hängelbach die Lossenshütte (heute Concordiahütte). 1842 kam an der Hauptstraße die feuerfeste Steinfabrik des Theodor Neizert (heute Didier-Werke) hinzu. In der Börd am Neubergsweg betrieben Remy’s damals eine Bierbrauerei und später eine Bleiweiß- und Mennigfabrik (heute Sanapol). Cichorienfabriken der Gebrüder Tielemann sowie der Firma Remy und Gräff rundeten damals das erfreuliche Bild vom blühenden Wirtschaftsleben in Bendorf ab.
Sichtbarer Fortschritt war überall wahrnehmbar. So bestand bereits 1822 im „Flecken“ ein Postamt. Blum sowie Kopp hießen ihre ersten Vorsteher. Im Berghang „Auf dem Kolben“ wurde 1834 ein der Entwicklung Bendorfs Rechnung tragender neuer Friedhof angelegt. Ein reges Gesellschaftsleben durch Gründung von Casino-, Schützen- und Gesangsvereinen sorgte schon zu damaliger Zeit dafür, daß die kulturellen Belange nicht zu kurz kamen.
Die Revo1utionswirren 1848 zeugten andererseits mit ihren turbulenten Ereignissen von dem unbeirrbaren Gerechtigkeitsgefühl, der demokratischen Gesinnung und dem unbändigen Freiheitswillen der damaligen Bürgerschaft. Dieses sollte keiner mehr zu spüren bekommen, als Johann Philipp Verwer als Bürgermeister amtierte. Durch sein autoritäres Handeln zog er sich den Haß des größten Teils der Bürger zu. Die Art, Gegner seine Macht fühlen zu lassen und sich in die konfessionellen Streitigkeiten einzumischen, erhitzte damals derartig die Gemüter, daß bei öffentlichen Protestversammlungen dessen Absetzung fast einstimmig gefordert wurde.
Der Schrecken und die Bestürzung über dieses Volksbegehren war bei der Regierung in Koblenz derart groß, daß sie Verwer eine sechs- bis zwölfmonatige Beurlaubung aus Gesundheitsgründen nahelegten, um die Gemüter zu beruhigen. Dieser legte dann sein Amt auch nieder. Aber sein Fall beschäftigte die Behörden bis hin zum Innenministerium in Berlin. Verwer versuchte seine Unbeliebtheit bei den Bendorfern damit zu bemänteln, daß er vom Geist der Revolution und Anarchie, die gleich einer verheerenden Seuche das Volk ergriffen habe, sprach, sich selbst aber schuldlos wußte.
1852, also einige Jahre nach diesem Geschehen, wurde eine äußerst wichtige Straße angelegt, nämlich die heutige Grenzhäuserstraße. Diese führte seit Urzeiten immer die steile Hohl hinauf und über den Galgen- und Langenberg auf den Westerwald. In nassauischer Zeit war wohl ein Fahrweg durch den Girstall bis zum Schöllchen, etwa heutige Hühnerfarm Stein, angelegt worden, den man zur Chaussee ausbaute. Diese führte man nun weiter durch die Distrikte „sieben Morgen“, „Attig“, „Süppenkaul“, „stolzen Nußbaum“ bis zum „Stock“, wo man auf den alten Grenzhäuserweg stieß. Von dort setzte sich die neue Chaussee auf der Trasse des alten Grenzhäuserweges, längs der „Buchhell“‚ des „Krausweges“ und „an der Hand“ weiter fort, um nach Passieren der Walddistrikte „Gumschlag“, „Buchenbörnchen“ und „Koppshau“, die dort liegende nassauische Grenze zu erreichen.
Als Nutznießer der neuen Grenzhäuser Straße waren damals Bendorfs Landwirte verpflichtet, eine gewisse Zeit im Frondienst beim Bau dieser Straße mitzuwirken. Angewiesen wurden auch alle Anlieger, am Straßenrand Bäume zu pflanzen, um als Schattenspender zu dienen, lag doch allen Straßenbauten damals eine gewisse militärstrategische Planung zugrunde. Viele dieser alten Bäume, meistens Äpfel und Birnen tragend, stehen heute noch und haben mittlerweile ein Alter von 120 Jahren.
Weitergebaut wurde in den 40er Jahren auch die neue Hauptstraße, sie führte von Sayn aus durchs Sayntal. Damals wurde es Isenburger Mühlental genannt. Die Straße führte über Dierdorf auf den hohen Westerwald. Sie wurde als Koblenz- Mindener- Provinzialstraße bezeichnet. Ein vielbegangener Weg war damals auch die Klappergaß (heute Concordiastraße). Sie führte von der Engersport aus nur durch Feld und Wiesenland und war noch von keiner Eisenbahnlinie behindert, über die Langfuhr geradewegs zum Hängelbach und über den dortigen Hängelsteg, einer alten kleinen Holzbrücke, nach Mülhofen und Engers.
Manches über hundertjährige Haus beweist heute, daß die Klappergaß damals ein beliebtes Baugebiet war. Mit dem Bau der Mülhofener Hütte im Jahre 1856 wurde auch die heutige Engerserstraße eine verkehrsreiche Strecke. Erzfuhrwerke von der Grube „Vierwinde“ pendelten täglich von früh bis spät auf ihr hin und her.
1860/62 wurde die Straßenbrücke über den Saynbach gebaut (sie wurde 1909 durch Hochwasser zerstört). Wegen der dauernden Hochwassergefahr wurde die Straße durch einen Damm höhergelegt. Auch wurde 1855 – 60 der Saynbach in sein heutiges Bachbett reguliert. Bis dahin waren seine Ufer unregelmäßig verlaufen und von Tümpeln und Morastflächen begleitet. Es bildete sich damals eine Genossenschaft von 48 Anliegern, die längs des unteren Saynbaches (Sayn-Mülhofen) Grundbesitz hatten. Durch Begradigung und Regulierung des Gewässers und durch Anlage von Dämmen wurden damals 87 Morgen neues Acker- und Wiesenland gewonnen.
Diese damals geschaffenen Werke, wie Brücken und Straßen, kommen der Entwicklung heute zugute. Es sind Zeugen der Schaffensfreude der Bewohner und ihrem Bemühen Probleme tatkräftig zu lösen, um damit dem allgemeinen Fortschritt zu dienen. So entstand 1862 durch die Initiative Bendorfer Bürger eine Gasfabrik, welche mit dem Licht ihrer Laternen fast hundert Jahre lang unsere Straßen, Gassen und Wohnungen erhellte.
Mit der 1848 von Dr. Adolf Albrecht Erlenmeyer und 1857 von Dr. C. Brosius in Bendorf gegründeten Nervenheilanstalten, denen sich später die Dr. Colmant’sche und in Sayn die Dr. Jakoby’sche Heilanstalt zugesellten, sollte unser Bendorf auch auf dem Gebiete dieses fachärztlichen Geschehens bedeutenden Ruf erlangen.
Allzuvieles wäre noch aus jener Zeit, als Bendorf noch ein Grenzort war, zu berichten. Aber lassen wir es bei dem Geschilderten und schließen wir den Bericht mit einem Geschehnis jener Tage, dessen Aufzeichnung wir Peter Pius Ohlig, dem verdienten Bendorfer Heimatforscher verdanken, und das ein so bezeichnendes und situationsgerechtes Licht auf die damaligen Verhältnisse wirft.
Wie berichtet, waren damals mehrere Straßen gebaut worden und von jedem Fuhrwerk, welches dieselben benutzte, wurde ein sogenanntes „Chausseegeld“ erhoben. So befand sich auch auf der Grenzhäuserstraße um 1860 an der Wirtschaft „Zur Stadt Bendorf“ (heute Metzgerei Mies), ein Schlagbaum, der nur nach Entrichtung der tarifmäßigen Chausseebenutzungsgebühr geöffnet wurde. Peter Brost war der Gastwirt und mit der Erhebung des Chausseegeldes beauftragt.
Er achtete scharf darauf, daß ihm kein Fuhrwerk ohne zu zahlen durchschlüpfte. Trotzdem passierte ihm dies eines Tages, als er nachmittags in seinem Hof beschäftigt war. Durch plötzliches Pferdegetrappel und Wagengerassel aufmerksam geworden, sprang er schnell zur Haustür und sieht noch, wie eine vierspännige Chaisse (Kutsche) durch die Sperre fuhr. Vor dem Gespann sprengte ein Reiter, der eigenmächtig den Schlagbaum geöffnet hatte. Wie der gute Peter Brost dem Gefährt wütend nachschaute, kamen noch zwei Beireiter, und er rief diesen zu: „Hürt emol, für euer Kutsch muß Schossigeld bezahlt were, bär es dodrenn!“ – Da antwortete ihm einer hochnäsig: „Das ist seine fürstliche Hoheit. der Herzog von Nassau“ und ritt mit seinen Begleiter weiter. „Et Dunnerkeil noch emol“, wetterte Brost, „dat wel ich doch mol siehn, ob dä nix zu bezahle brauch“.
Er zog rasch einen besseren Rock an und ging, innerlich schwer geladen, zum Bürgermeisteramt. Dort angekommen, lud ihn der damalige Bürgermeister Franz Schmitz, der mit der Einwohnerschaft stets in volkstümlicher Art verkehrte, mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen. „Na, Peter, was gibt’s denn?, frug er. Brost war nicht gerade auf den Kopf gefallen. In der heiklen Sache, die er ausfechten wollte, hieß es diplomatisch sein und nicht mit der Tür ins Haus fallen. „Ich han zunächst en Frog ze stelle, Sie wesse jo, Herr Bürjermeister, dat mer weje dem Schossigeld höllisch offpasse muß. Et seinerer emmer noch, die sich an demm Bezahle vorbeidröcke wolle. Ech well deshalb noch emol genau wese, ob jedes Fuhrwerk, ohne Ausnahm, bezahle muß?“.
„Ei, selbstverständlich“, sagte der Bürgermeister. „Och jeder Beamte, dä met em Fuhrwerk kimmt?“, fragt Brost. „Auch die“, bekam er zur Antwort. Brost fragt vorsichtig weiter: „Och die ganz Huhe, Herr Bürjermeister?“. „Ohne Ausnahme“, antwortete dieser. „Dann verlange ich, dat demm Herzog von Nassau e Brodekoll gemacht wierd, denn dä es eijemächtig, ohne ze bezahle, heut Nummendag dorch die Schossisperr gefahre“, sagte nun mit Nachruck Peter Brost.
„Jaaa“, rief da gedehnt der Bürgermeister, „lieber Peter, in dem Fall bist du machtlos, denn die regierenden Reichsfürsten sind davon frei, geh heim und trinke ein gutes Schöppchen und sing die Wacht am Rhein.“
Durch den guten Rat des Bürgermeisters sind die Beziehungen zwischen dem Herzog von Nassau und dem preußischen Gastwirt und Chausseegeldeinehmer Peter Brost von Bendorf für spätere Zeiten ungetrübt geblieben.
Mit dem Sieg Preußens 1866 über Österreich fielen dann endlich auch die innerdeutschen Grenzen und damit verlor auch Bendorf endgültig den Charakter eines Grenzortes, den es fast 70 Jahre innehatte.
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